Am Montag, 13. April 2015 haben wir bei WISO (Link zum Beitrag auf zdf.de) über die primaholding und ihre Töchter voxenergie und voxpark berichtet.
Informationen zum Thema können Sie gerne mailen: redaktion [at] autorenwerk.de
Hier ist der Text des Beitrags:
Anneliese Helmich ist 82 Jahre alt und lebt allein. Immer wieder bekommt sie Anrufe von einem netten Herrn aus Berlin. Der plaudert mit ihr, es geht um ihren Telefonanschluss – so viel versteht sie. Der freundliche Herr arbeitet für die Firma Primacall und ruft immer wieder an. Erst Jahre später kommt Sohn Holger dahinter, dass seiner Mutter mehrere Telefonverträge aufgeschwatzt wurden. Primacall verkaufte ihr drei Mobilfunkkarten, obwohl sie nicht einmal ein Handy besitzt. Sogar mehrere Kundennummern findet er in ihren Unterlagen.
Holger Helmich, Sohn:
Für mich ist so was unbegreiflich. Das ist eine Dreistigkeit par exellence. Ich kann einfach nicht nachvollziehen, wie dickfellig man sein muss oder wie frech man sein muss, um so was überhaupt zu machen (…)
Dabei hätte das Callcenter überhaupt nicht anrufen dürfen – denn Primacall kann für den ersten Anruf keine Einwilligung von Frau Helmich in die Telefonwerbung vorlegen – obwohl das seit 2009 vorgeschrieben ist. Auf Nachfrage von WISO erklärt Primacall, dass diese Einwilligung
„bedauerlicherweise“ gelöscht worden sei,
„ … was maßgeblich auf datenschutzrechtlichen Vorschriften zum Schutz der Kunden beruht.“
Für Datenschützer Thilo Weichert ist das nichts weiter als eine Schutzbehauptung.
O-Ton: Thilo Weichert:
“Die Argumentation der Firma ist absoluter Unsinn// Der Datenschutz fordert, dass wenn eine Datenverarbeitung stattgefunden hat, dass die legitimiert wird. Und wenn jetzt ein Opt-in, – sprich eine Einwilligung – Voraussetzung für die Datenverarbeitung ist, dann muss die so lange aufbewahrt werden, so lange eben diese Datenverarbeitung relevant sein kann. //andernfalls verhalten sie sich rechtswidrig.
Um Werbeanrufe ohne Einwilligung zu unterbinden, wurden 2013 die Bußgelder erhöht. Viele Callcenter schreckt das trotzdem nicht ab. So gehen bei der Bundesnetzagentur jedes Jahr immer noch Zehntausende Verbraucherbeschwerden ein.
2014 waren es rund 26.000. In den Vorjahren lag das Beschwerde-Niveau ähnlich hoch – am höchsten im Jahr nach Einführung der verschärften Gesetzgebung 2009.
Trotz der vielen Beschwerden verhängte die Bundesnetzagentur 2014 nur 47 Mal ein Bußgeld.
Gegenüber WISO erklärt die Behörde, dass
Faxantwort: Bundesnetzagentur
die Ermittlungsverfahren oft „schwierig und komplex“ seien und ihre Arbeit auch durch die „Vortäuschung fremder Rufnummern“ erschwert würde.
Anders im Fall primacall: Seit Jahren benutzt deren Callcenter Voxpark dieselben Rufnummern. Voxpark ist wie primacall ein Tochterunternehmen der Primaholding. Zur Holding gehören mehrere Firmen, die Strom- und Telekommunikationsverträge verkaufen. Den Vertrieb übernimmt meist Voxpark. Das Callcenter arbeitet – anscheinend ganz ungestört – mitten in Berlin – gut 500 Meter Luftlinie vom zuständigen Bundesministerium für Verbraucherschutz entfernt.
Dabei wurde das Schwesterunternehmen Primacall schon mehrfach von Verbraucherzentralen wegen unerlaubter Telefonwerbung abgemahnt – immer aus demselben Grund:
Rosemarie Rodden, VZBV:
Das Unternehmen hat keine wirksamen Einwilligungen eingeholt und ohne Einwilligung die Verbraucher angerufen und Werbung getätigt.
Deshalb wurde Primacall zur Zahlung von insgesamt mehr als 140.000 € verurteilt. Genützt hat es wenig, die Unternehmensgruppe Primaholding macht immer noch Millionenumsätze mit Telefonwerbung – und versucht zu tricksen. WISO bekommt Insiderinformationen von Mitarbeitern aus dem Konzern zugespielt. Wir rüsten sie mit versteckten Kameras aus, damit sie vor Ort dokumentieren, wie Einwilligungen von Kunden erschlichen werden, um ihnen später Strom-Verträge zu verkaufen.
Die Mitarbeiter telefonieren für die aktuelle Stromkampagne. Sie sollen „Kunden aktivieren“. mit einem ersten Anruf. Angeblich geht es nur um eine Umfrage zur Stromversorgung, nicht ums Verkaufen – so soll es den „Kunden“ erklärt werden.
Diese haben angeblich ihre Einwilligung gegeben – das wird auf Mitarbeiterschulungen behauptet. Bei Gewinnspielen hätten sie sicherlich ein Kreuzchen gemacht, dass sie mit Werbeanrufen einverstanden sind.
Auch bei Ingeborg Seitz und ihrem Mann haben Callcenter-Mitarbeiter angerufen. Weder sie noch ihr Mann können sich aber erinnern, jemals eine Einwilligung in die Telefonwerbung gegeben zu haben.
Ingeborg Seitz
“Ich spiel gar keine Gewinnspiele, grundsätzlich nicht. Weil ich weiß, dass sie die Adressen verkaufen.”
Auch auf Nachfrage von WISO kann das Callcenter keine Einwilligung vorlegen. Es verweist auf eine andere Firma, von der die Kundendaten stammen sollen. Diese habe
„vertraglich bindend zugesichert“,
dass wirksame Einwilligungen vorlägen.
Für Datenschützer Thilo Weichert wieder eine Ausrede.
O-Ton Thilo Weichert:
Wenn jemand Daten verarbeitet, muss er nachweisen, dass das rechtmäßig erfolgt. Wenn er sich die Daten von irgendjemand anderes beschafft hat und diese Firma behauptet, ne Einwilligung läge vor, dann muss die beschafft werden und muss dann auch tatsächlich vorgelegt werden.
Doch das kann die Firma nicht – in keinem der drei von WISO angefragten Fälle legt sie eine Einwilligung vor.
Dabei scheint das Ziel dieses ersten Anrufs genau das gewesen zu sein. Frau Seitz soll am Ende der Telefonumfrage dem Anruf eines „freundlichen Energieberaters“ zustimmen. Jetzt will die Firma Geld verdienen.
Der „freundliche Energieberater“ entpuppt sich als Vertriebsmann der Konzerntochter Voxenergie. Erst bei diesem zweiten Anruf wird Frau Seitz ein Stromvertrag aufgeschwatzt. Ein raffinierter Trick, aber trotzdem illegal:
VZBV, Rosemarie Rodden:
Das Unternehmen versucht, die gesetzlichen Anforderungen an die Einwilligung zu umgehen, indem sie ein Unternehmen vorschaltet, das angeblich ne Befragung durchführt und mittelbar aber bereits den Absatz fördern möchte. … Das Vorgehen ist immer noch unzulässig und stellt immer noch eine unerlaubte Telefonwerbung dar.
Von Abmahnungen und Bußgeldern lassen sich die Tochterunternehmen der Primaholding nicht abschrecken. Für die zuständige Aufsichtsbehörde ist das aber kein Beleg, dass die schärferen Gesetze nicht wirken.
Fax Bundesnetzagentur
Leider entspricht es der Lebenswirklichkeit, dass sich einzelne Täter wiederholt nicht an die Gesetze halten.
Warum nicht die Gesetze an die Lebenswirklichkeit angepasst werden, das können Anneliese Helmich und ihr Sohn nicht verstehen.